|
Aus seiner Kühlerhaube
wachsen Büffelhörner, giggelte Hank in sich hinein.
„Hassu seine Puppe gesehen? Howdy, was füan Gerät.“,
störte George.
„Ne, wo n?“
„Im Fernsehn, kuaz bevor er anrief. Goiles Teil! Obastes Regal.“
„Aha. Weisssu wassa von uns will?“
Bedächtig bog der Cadillac in einen schmalen, ebenmäßig
geteerten Weg ein. Die Lichtleisten unter den Trittbrettern warfen fahlen
Glanz auf ihn.
„Hassu nich gesehn? Der wuade rausgeschmissn!“
„Woraus?“
„Kein Blassn, aus irgendner Galerie! War fett innen News. Soga
kuaz auf CNN. Von som Künstla.“
„Und deswegn lässt dea uns antanzn? Was solln wian da machn?“
„Zerbrich dia nich sein Kopf, Hank. Hiea rechts. Davorn issas.“
„Wow, hiea lebt dea also, wenner in Apple is.“ Hank öffnete
die Tür und krabbelte aus dem tiefliegenden Schlitten. Ehrfürchtig
verharrte er vor Scadrons geräumigen Anwesen.
“Gigantisch! Son fettes Ding mitn inna Stadt!“
„Yupps, die Southfork Ranch in New York.“
„Das macht
keiner mit mir. Dieser Pinselkleckser, so ein Lutscher...“
Frank Scadron war, sein Sohn würde sagen, nicht restlos in seiner
Mitte. Wild gestikulierend trabte er in seiner Hausbar auf und ab.
„...will sich mit mir anlegen?! Kann er haben. Hat er! Erst schmeißt
er mich aus seiner verschissenen Galerie und dann erzählt er der
Post eine längst abgehakte Geschichte. Hat bestimmt nicht mal gedient,
die Lusche. Hat keine Ahnung, wie das ist, im Busch. Jederzeit muss
mit einem Hinterhalt gerechnet werden! Woher hat der diese Informationen?
Egal, das ist nicht euer Bier. Ihr sorgt nur dafür, dass er nicht
noch mehr ausplaudern wird! Habt ihr verstanden?“ Am Kopfende
des Tresens blieb er stehen, nahm seinen Bourbon, leerte das Glas mit
dem angeschmolzenen Eis und zerbiss es hörbar.
„Ob das klar ist?!“, erkundigte er sich erneut.
Drei schummrige Lampen erhellten die Theke. An deren Ende rauchten zwei
Männer fast entspannt die Rinderhirtenmarke und nickten mechanisch;
sie hatten keinen blassen Schimmer, was ihn so fuchste. Die Lichtkegel
sogen furchtlos den verspielt wirbelnden Qualm der Zigaretten in sich
auf. George und Hank trugen dunkelblaue Nadelstreifenanzüge. Sie
wirkten darin bizarr, schmierig, seltsam unplatziert, frei von jeglicher
Eleganz. Nicht aus jedem Menschen machen Kleider Leute. Das lag nicht
nur an den Cowboyhüten und den Stiefeln, die sie dazu trugen.
„Dieser kleine Wichser. Habt ihr gehört? Ich will, dass das
geregelt wird!“ Zwei gleichmäßig wippende Hüte
waren zu sehen.
„Und nehmt diese lächerlichen Hüte ab. Ihr seid hier
nicht in Texas.“
„Ok, Squatty, äh, Mr. Scadron, wiad erledicht!“, sagte
der Dünnere der Dünnen, der ihn ständig an Nick Cave
erinnerte, untertänig und nahm seinen Hut ab. Schwarze, fettige
Strähnen und ein mit Schuppen besetzter Mittelscheitel wurden sichtbar.
„Was solln wia denn mit ihm machn?“, fragte sein Kompagnon,
der seine Kopfbedeckung aufbehielt. Scadron war schlau genug, das zu
übersehen. Leise zischte er: „Hast du denn gar nicht zugehört?
Er ist nun vogelfrei, ein Outlaw, zum Abschuss freigegeben. Ver-gan-gen-heit.
Ich weiß, ihr seid pervers genug, dass euch was nettes einfällt.“
Die Beiden grinsten verlegen, nicht hundertprozentig überzeugt
ein Kompliment gehört zu haben. Impertinenz zu demaskieren war
nicht gerade ihr Steckenpferd.
„Macht’s wie ihr wollt. Habt von mir aus euren Spaß,
aber macht’s richtig! Ein für alle mal.“
Damit konnte George eher etwas anfangen, tippte mit seinem Zeigefinger
an die Krempe und grinste vielsagend. Zumindest wesentlich eloquenter,
als er jemals geantwortet haben könnte. Natürlich würde
Scadron nicht nur die beiden auf Nils ansetzen, aber zu ihnen hatte
er großes Vertrauen. Er kannte sie seit der Kindheit. Schon damals
verband sie eine Freundschaft wie Herrchen zum Hund. Er sorgte für
die Marschrichtung, das andere Ende der Leine war erfreut, nach dem
Befehl ein Leckerli zur Belohnung zu erhalten. Die beiden konnten froh
sein, dass er sich überhaupt mit ihnen abgab. Er war aus reichlich
besserem Hause. Allein schon der Gedanke höhnisch, sich mit ihnen
zu vergleichen. Es erfüllte die Beiden mit Stolz, sich an seiner
Seite bewegen zu dürfen. Er öffnete ihnen Türen, an die
sie sich sonst nicht mal zu klopfen getraut hätten. Der einzige
Unterschied zu früher: Sie waren dem Welpenalter entwachsen. Bluthunde
auf zwei Beinen. Einmal eine Spur aufgenommen, gab es nichts, was sie
ablenken würde. Sie gehörten nicht zu den Menschen, die all
ihre Konzentration bündeln mussten, um ein Ziel zu verfolgen. Er
war ihr einziger Auftraggeber und erlaubte ihnen, monatlich neunhundert
Dollar von einem seiner Konten abzuheben. Ihre Aktivierung bedeutete
lediglich, ein paar Mehraufwendungen, zur Beendigung des Jobs. Und es
kam vielleicht ein bisschen Abwechslung in ihr trauriges Leben. Ein
Leben, dem lästiger Kontakt mit Ethik oder Moral erspart geblieben
war. Keine Erziehung hatte je den Samen für ein Unrechtsbewusstsein
gepflanzt. Kein Gewissen schreckte sie ab, kein Auftrag war ihnen zu
delikat. Trottel, dachte Scadron und suhlte sich in Selbstgefälligkeit,
ohne mich hätten sie längst auf dem elektrischen Stuhl gebraten.
Seine besten Verbindungen musste er spielen lassen, um sie da rauszuholen.
Dass sie nur seinetwegen dort gelandet waren verdrängte er meist
erfolgreich.
„Also, ihr beiden: Ab!“, um sicher zu stellen, dass ihm
das deutsche Plappermaul nicht doch irgendwie entkommen konnte, wollte
er noch ein paar andere Knöpfe drücken.
Auszug aus: "Ein hellerer Ton als Weiß"
von HK Driemert
|