QUANDRAM


"Hi", murmelte Janik unterbewusst, nachdem er seine Haustür geöffnet hatte, "wer denn bist du?"

Auf seinem Spülbecken saß ein kleiner Troll und nicht nur das, er konnte auch schon seinen Namen sagen: "Quandram", erwiderte Quandram vom Beckenrand, verbeugte sich dabei überschwänglich und sprang breit grinsend hinüber zum Küchentisch. Janik bemühte sich um Fassung. Die Lippen bewegen, wenigstens den Namen wiederholen. Er war denkbar weit davon entfernt.
Er konzentrierte sich ganz fest: "Quandram?" Ein Anfang.
"Wird auch Zeit, dass du mich mal bemerkst. Ich lebe schon seit 15 Jahren bei dir. Deine ständigen Wohnungswechsel gingen mir übrigens auch ganz schön auf die Nerven. Was soll's, nun hast du mich ja entdeckt."
"15 Jahre?" Janik hob fragend die Augenbrauen. "Warum hast du dich die ganze Zeit versteckt?"
Quandram schaute belustigt und zog mit einem Ruck seine Kapuze nach hinten, wuschelige, blaue Haare wurden sichtbar. Er rümpfte die kleine Knollennase.
"Dass ich nicht lache. Du warst zu blind mich zu sehen...uups!" Mit schlechtem Gewissen hüpfte er geschwind vom Tisch. "Es gehören nämlich einige Sinne dazu, die übrigens jeder von euch einmal hatte. Bei den meisten allerdings arg verkümmert", berichtete der kleine Fratz lapidar. "Früher lebten wir mit euch Menschen in Familien und großen Clans zusammen".
Quandram blickte traurig in die Ferne "Bis wir zu Gejagten wurden."
Janik legte seine Stirn in Falten. "Wir Menschen haben euch nicht beschützt?"
"Weniger. Ihr wolltet uns ausrotten."
"Warum das denn?" Janik wurde misstrauisch. Warum sollten Menschen einem solch niedlichen Mockel etwas antun?
"Warum?! Weil ihr Menschen große Probleme habt, einfach in Frieden zu leben." Quandram war genervt. "Ihr macht ja nicht mal vor eurer eigenen Art halt. Das müsstest du doch schon mitbekommen haben?" "Moment einmal! Ich muss mir erst mal die Jacke ausziehen. Dann machen wir es uns gemütlich und du erzählst in Ruhe, OK?" Ich bin schon ne coole Sau, dachte Janik, als er seine Jacke abstreifte und an die Gaderobe hing. Andere hätten an meiner Stelle längst die Jungs mit den weißen Jacken bestellt.
Er hingegen
steckte stoisch neue Kerzen in den Kandelaber und brühte einen Tee auf. Quandram zündtete die Kerzen an. Janik schaute zu, wie er auf den Küchenstuhl krabbelte, sich auf die Zehenspitzen stellte und mit dem Zeigefinger den Docht berührte. Er musste sich ordentlich strecken.

Als Janik ihn noch nicht sehen konnte, lief er wie selbstverständlich auf dem Tisch herum, obwohl er noch gut die Zeiten erinnerte, als Menschen ihre Mitbewohner wenig gern mochten, so sie zwischen ihren Speisen spazierten.
Janik gab ihm sein Stuhlkissen, damit er sitzend zumindest annähernd über seine dampfende Teetasse gucken konnte.
"Im Grunde fing alles Ende des Mittelalters an", begann der Troll. "Gemordet und geforscht habt ihr schon immer wie die Wilden. Nur irgendwann wurde es für sämtliche Bewohner dieser Erde gefährlich. Ihr Menschen fingt an, über Sachen nachzudenken die, wie soll ich sagen....noch gar nicht dran waren. Alles, was einmal erfunden, entwickelt sich unaufhaltsam weiter. `Die Geister die ich rief...´, kennst du? Hat ein guter Freund von mir geschrieben. Menschen haben die Angewohnheit, den zweiten Schritt vor dem Ersten zu tun. Diesem zweifelhaften Vergnügen fröhnt ihr leider recht ausgiebig. Wir Trolle haben lediglich versucht euch zu bremsen und euer Tun in ungefährlichere Bahnen zu lenken. Zugegeben manchmal mit den falschen Mitteln. Wir unternahmen wirklich einiges, um euch zu sabotieren, als Worte nicht fruchteten. Deshalb auch unser Image, wir würden nur Unfug und Ärger zu verursachen. Obwohl wir die einzigen sind, die euch und somit allen Geschöpfen helfen könnten, versucht ihr, uns wie Ungeziefer auszumerzen."
Quandram machte eine Pause, wohl, um ihn die Dringlichkeit der Worte bewusst zu machen. Janik nickte gleichmäßig und nippte, in Gedanken verloren, an seiner Tasse.
"Seisdrum, vorübergehend waren wir in den Wäldern vor euch sicher. Wie aber war es möglich, euch verantwortliches Handeln beizubringen? Zudem bemerkten wir, wie euch zunehmend ein wichtiger Sinn abhanden kam"
"Einen Sinn verloren?" hakte Janik ungläubig nach.
"Ja. Genaugenommen sogar mehrere. Und zwar deswegen, weil wir nicht mehr bei euch waren. An einen erinnert ihr euch latent: Phantasie, rudimentär vorhanden. Teil des siebten Sinnes. Letztlich nichts anderes als der Zusammenschluss aller Sinne mit dem Unterbewußtsein. Menschen leben..."
- sollte ich sagen vegetieren, empfing Janik einen Gedanken -
"...mit einer handvoll Sinnen, nennen sich verstandesbegabt und hauen alles kaputt was sie im Augenblick nicht begreifen oder glauben nicht gebrauchen zu können. Der Grund, warum wir Trolle wieder Kontakt zum Menschen suchen. Schließlich zerstört ihr den gleichen Planeten, auf dem auch wir leben. Vor hunderten Jahren versuchten wir, aus reinem Selbstschutz, euch aus den Wäldern zu vertreiben. Ängstigten euch. Heute stehen wir am Wegesrand, winken, schreien und manchmal zupfen wir sogar an euch Ausflüglern herum, die Pilze sucht, duch den Wald maschiert. Doch es ist nicht möglich, uns ohne Phantasie zu bemerken. Ach ja und schönen Dank für den Müll, den ihr überall hinwerft. So...", jauchzend wegen der erfolgreichen Kontaktaufnahme mit dem Erdenbewohner, ließ sich Quandram mitsamt Kissen vom Stuhl rutschen. Schmunzelnd sah er Janiks herunterglappten Unterkiefer. Er beschloss seine Ankalge zu beenden:"...genug angeprangert! Um diese Zeit schaust du doch immer Star Trek. Heute schalte ich uns mal die Glotze an!".
Janik sah dem Troll hinterher, der den Flur entlang watschelte und im Wohnzimmer verschwand. Würde er Quandram bei der Wohnungsgesellschaft als Untermieter anmelden müssen? Janik schüttelte den Kopf, erhob sich und blieb eine Z.e.i.t.l.a.n.g unbeweglich stehen, den Blick starr auf die flackernden Kerzenlichter gerichtet. Auch Quatsch, wieso hab ich Kerzen angemacht? Ist doch noch hell draußen.
Zwei Kissen lagen neben dem Stuhl auf dem Boden und, er schaute von dem Gefäß in seiner Hand zu dem geleerten auf dem Tisch. Hatte er schon zwei Tassen Tee getrunken? Wieso hatte er sich dazu eine Zweite aus dem Schrank geholt? Er hörte, dass er am Morgen vergessen hatte, den Fernseher auszumachen. Aus dem Wohnzimmer erklang die Titelmelodie seiner Lieblingsserie. Star Trek fing gerade an, er trollte sich ins Wohnzimmer . Das passt ja, dachte Janik erfreut und ließ sich in seine Kissenkuschelecke fallen.
Durch einen gekonnten Hechtsprung unter den Beistelltisch entkam Quandram dem Hintern nur knapp .
Janik war mit Kapitän James T. Kirk zu Welten unterwegs, die nie ein Mensch zuvor gesehen hatte...

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